84. Gedenktag an die Pogromnacht

Zum 84. Gedenktag an die Pogromnacht am 9./10. November 1938, lud die Jüdische Gemeinde Düsseldorf am 9. November, wie in den Jahren davor, zur Kranzniederlegung am ehemaligen Standort der Düsseldorfer Synagoge ein.

An der Zeremonie in der Kasernenstraße nahmen Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Landtagspräsident André Kuper, Minister Nathanael Liminski, Vorstandsvorsitzender unserer Gemeinde, Dr. Oded Horowitz, Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie der polnische Generalkonsul, Jakub Wawrzyniak. Zahlreiche Gemeindemitglieder sowie mehrere Vertreter aus der Politik kamen an den Ort der niedergebrannten Synagoge, um die Ereignisse und Opfer zu gedenken. Die Viertklässler der Yitzhak-Rabin-Schule nahmen, wie jedes Jahr an der Zeremonie teil.

Die Kinder der Yitzhak-Rabin-Schule waren auch in diesem Jahr aktiv am Gedenken beteiligt. Im Unterricht hatten sie eigene Zukunftswünsche und Gedanken vorbereitet und auf Pappkarten geschrieben. Einer nach dem anderen las diese vor und steckte die Karten an ein schwarzes Brett, an dem bereits „Ich gedenke“ auf Hebräisch befestigt war.

„Mein G‘tt, mein G‘tt, möge es nie enden: der Sand und das Meer, das Rauschen des Wassers, das Strahlen des Himmels, das menschliche Gebet“ („Eli, Eli“) sangen die Kinder das wunderschöne Lied der ermordeten ungarischen Widerstandskämpferin Hannah Szenes gemeinsam mit vielen Anwesenden.

Die zentrale Gedenkstunde fand im Plenarsaal des Rathauses statt. Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei sowie der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Oded Horowitz, sprachen dabei Worte des Gedenkens.

In seiner Rede betonte der Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller: „Die schrecklichen Ereignisse des Novemberpogroms dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Ihrer zu gedenken, ist elementarer Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Wir erinnern und mahnen zugleich – es liegt in unser aller Verantwortung, Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung die Stirn zu bieten und entschieden für unser demokratisches Gemeinwesen und für unsere Mitmenschen einzutreten.“

Dr. Horowitz wendete in seiner Rede an die Versammelten: „Ich appelliere an unsere Mehrheitsgesellschaft, nicht wegzuschauen, sondern einzugreifen, Zivilcourage zu zeigen und Position zu beziehen. Antisemitismus ist auch heute noch präsent – und das dürfen wir unter keinen Umständen zulassen oder einfach so hinnehmen. Es reicht nicht, am 9. November betroffen zu sein und sich am 10. November wieder umzudrehen und weiterzumachen. Sondern wir müssen heute, wie auch an jedem anderen Tag, ganz klar Stellung beziehen und wir müssen uns gegen Antisemitismus sowie gegen jede Form von Diskriminierung bekennen. Für ein freiheitliches, offenes, tolerantes und vielfältiges Miteinander.“

Ein besonderer Programmpunkt war der Filmbeitrag von Teilnehmenden der VHS Düsseldorf aus der Abteilung schulische Weiterbildung. Die jungen Menschen hatten die Geschichte der Düsseldorfer deutsch-jüdischen Familie Altmann erforscht. In einem Film dokumentierten sie ihre Recherchen zu David, Johanna und Alfred Altmann und ihre Auseinandersetzung mit deren Geschichte.

Jacquelyn Altman, der Enkelin von David und Johanna Altmann, war aus dem kanadischen Toronto angereist und nahm an der Gedenkveranstaltung teil. Johanna Altmann leitete einen Modesalon auf der Blumenstraße, wo auch die Familie wohnte. Während des Novemberpogroms 1938 wurden Wohnung und Arbeitsstätte der Familie völlig verwüstet. Ihren Sohn Alfred hatten Johanna und David Altmann noch mit einem “Kindertransport” ins sichere Ausland schicken können. Die Eltern hingegen wurden aus in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet. Bis zur Deportation stand ihnen ihre ehemalige nichtjüdische Angestellte Martha Schumacher treu zur Seite. Sie suchte nach dem Krieg nach Alfred Altmann, um ihm Erinnerungsstücke weiterzugeben, die sie für ihn aufbewahrt hatte.

Andreas Kremer, Vorsitzender des Jugendring Düsseldorf, und Katharina Schunck, Bildungsreferentin des Jugendrings, stellten Alfred Altman und seine Fluchterfahrung in den Mittelpunkt ihres Vortrages. Sie mahnten, nicht nur den Blick zurückzurichten. Mit dem Wissen um die Vergangenheit müsse man die Gegenwart menschlich gestalten. Das gelte insbesondere gegenüber jungen Menschen, die wie Alfred Altmann ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen mussten.

Sowohl bei der Kranzniederlegung als auch im Plenarsaal sprach Kantor Aaron Malinsky das Kaddisch für die Ermordeten der Pogromnacht.

 

Gedenken in Neuss – Verantwortung übernehmen

Auch in Neuss wurde der Opfer gedacht. Am Standort der niedergebrannten Synagoge auf der Promenadenstraße fand eine Gedenkveranstaltung mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Reiner Breuer, Bürgermeister der Stadt Neuss, begrüßte alle Anwesenden und richtete den Blick insbesondere an die vielen jungen Leute, die sich am Gedenkstein versammelt haben. „Unsere Demokratie setzt voraus, dass wir uns im Alltag mit gegenseitigem Respekt begegnen, dass wir füreinander Verantwortung übernehmen und uns auch im Streit um Wahrheit und Wahrhaftigkeit bemühen, dass wir mit Offenheit auf andere zugehen und uns bewusst um Gemeinschaft bemühen“, sagte Bürgermeister Breuer. Gerade die Jugendlichen tragen dahingehend eine besondere Verantwortung, die Geschichte weiterzutragen und sich selbst gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit einzusetzen. Daher war die Reise nach Israel des Nelly-Sachs-Gymnasiums und des Gymnasiums Marienberg wichtig, um Israel kennenzulernen und auch den Weg in den direkten Austausch zu finden.

„Ich bin sehr froh, dass SchülerInnen aus Neuss in den Austausch mit einer israelischen Schule gehen, denn nur durch das Kennenlernen, durch das Bilden von Freundschaften gelingt es uns, Vorbehalte zu überwinden“, sagte Bert Römgens, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Die Freundschaften, die dadurch entstehen, können Ausgrenzung einen Riegel vorschieben. „Es ist ein respektvoller und empathischer Umgang miteinander. Deshalb bedeutet es für mich mehr als Worthülsen und Lippenbekenntnisse. Denn diese Generation ist es, die dafür Sorge trägt, dass Antisemitismus, Ausgrenzung und Rassismus in Zukunft nicht mehr geben darf. Diese Generation hat hierfür die Verantwortung“, führt Bert Römgens weiter aus.

Im Anschluss folgten Wortbeiträge einiger Schülerinnen der Gymnasien, die vor allem ihre persönlichen, emotionsgefüllten Eindrücke in Yad Vashem zur Sprache brachten. Dazu sagte Bürgermeister Breuer: „“Wir sind uns unserer Verantwortung zur Erinnerung bewusst geworden.“ Das waren Eure Worte nach der Besichtigung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Ich war auch schon dort und bin mir sicher, dass es für jeden von Euch ein überwältigendes, bedrückendes, schwieriges und prägendes Erlebnis war.“

Nach einem Beitrag der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Neuss, schloss Rabbiner Jan Guggenheim mit dem „El male rachamim“ die Gedenkveranstaltung.