„Emuna ist so hoffnungsvoll – wie eine Superkraft“

Ein Gespräch mit Moses Pelham

Moses Pelham ist eine Musiklegende. Er gehört zu den erfolgreichsten Rappern und Musikproduzenten Deutschlands und will durch seine Musik tiefe Gefühle übermitteln. Seine Reise führte ihn nach einer Einladung von Rabbiner David Kraus vor einigen Jahren nach Israel, wo ihn eine Veränderung ergriff, die er auch in einem Album verdeutlichte. Dieses Album heißt „Emuna“, die Kraft des Glaubens. Das Cover dieses Albums zeigt Moses vor der Klagemauer. Diese Reise, gerade durch Jerusalem, hat den heute 51-Jährigen nachhaltig geprägt. Im Gemeinde-Podcast „Un(d)orthodox“ haben wir Moses Pelham in Frankfurt besucht und mit ihm über diese spannende Reise gesprochen.

Was hast Du für eine Verbindung zum Judentum und wie ist diese überhaupt entstanden?

Moses Pelham: Ich bin gläubiger Christ, da ist es offensichtlich, dass wir denselben Schöpfer meinen. Ohne Judentum kann es kein Christentum geben. Es ist deshalb sehr naheliegend, dass es da eine sehr enge Beziehung gibt.

Du hast Dein Album „Emuna“ genannt. Das Cover ist vor der Klagemauer und einige Songs hast Du auch in Israel produziert. Das hat ja schon eine Aussagekraft, oder?

Moses: Ich glaube, die Antwort auf das, wonach Ihr da fragt, ist Rabbiner David Kraus. Ich stehe mit ihm neben der Klagemauer in so einem Gewölbe. Ich war mit ihm 4-5 Tage unterwegs, war an verschiedenen Orten und habe zu allem eine Geschichte gehört. Das war eine sehr intensive Erfahrung für mich. Wir hatten wunderbare Gespräche und ich habe mich da sehr geborgen gefühlt. Aber es gibt zwei Situationen, die ich da hervorheben möchte. Das eine ist die Situation an der Klagemauer, wo David zu mir sagt: Guck mal, diese Stadt wurde immer wieder belagert, zerstört und diese Mauer ist das Einzige, was davon übrig ist. Sie ist unzerstörbar. Und dann sagte er zu mir: hinter dieser Mauer steht G“tt! Und ich habe Gänsehaut am ganzen Körper. Das war wirklich sehr ergreifend für mich. Und dazu kam noch, dass David gerne Begriffe benutzt, von denen er weiß, dass Du sie nicht kennen kannst. Und das ist so ein bisschen, wie wenn man eine andere Sprache lernt. Wenn Du sie oft genug hörst, hast Du so eine gewisse Ahnung, was das denn bedeuten könnte. Und so war es bei Emuna. Das konnte ich mir aus den verschiedenen Kontexten erschließen. Und das war ein Begriff, der immer wieder fiel und mir war klar, dass es etwas Gutes sein musste, da er immer über das ganze Gesicht strahlte, wenn Emuna fiel. Und das ergriff mich so sehr, so hoffnungsvoll, wie so eine Superkraft. Und ich hatte eine Liste bestimmt von 2-3 Seiten mit möglichen Titeln des Albums. Emuna war nur einer davon. Und ich kann mir heute auch keinen schöneren Namen für diese Platte vorstellen. Ich habe mit Rabbiner David Kraus genau darüber gesprochen, als ich den Gedanken hatte, das Album Emuna zu nennen. Er sagte: ich halte es für eine gute Idee, Moses. Du tust damit einen Dienst an Deinem Nächsten. Weil Du ihn dadurch, dass man fragen wird, was das denn heißt, von dieser Superkraft wissen lassen wirst.

Wie ist dann der gleichnamige Song „Emuna“ entstanden?

Moses: Bei mir ist es Tradition, dass es auf dem Album nicht auch einen gleichnamigen Song gibt. Ich weiß, dass es viele so machen, aber bei mir ist das anders. Aber als sich dann der Gedanke festigte, das Album so zu nennen, war klar, dass ich ein Stück brauchte, das es aus meiner Perspektive erklärt. Ich glaube nicht, dass das Stück, was letztendlich auf der Platte ist, der erste Versuch war. Ich habe da auch einige Anläufe gebraucht. Es gibt ja zwei Versionen von dem Stück, eine Akustikversion, was die zweite Version von dem Lied ist, die mir so viel näher ist als die eigentliche Albumversion. Es gibt Leute, die mir vorwerfen, zu schwere Musik zu machen – also das Gegenteil von fröhlich. Ich kann das auch manchmal verstehen. Für mich ist es halt ein Kasperletheater, sondern Tiefes. Und so waren wir sehr bemüht für Emuna genau das aufzubrechen. Es sollte was Frohes haben. Es geht zwar bei der Akustikversion wieder etwas verloren, aber dennoch ist sie mir viel näher. Sie ist für mich immer noch etwas Positives, wenn auch nicht vordergründig.

Du hast ja auch einige Videos zu Deinem Album “Emuna” in Israel aufgenommen. Hast Du seitdem eine besondere Verbindung zu Israel?

Moses: Ich war vorher schon mal in Israel zur Hochzeit von einem Freund. Und das war interessant und angenehm dort, aber hinterließ nicht diesen Eindruck bei mir. Das ist allerdings schon 22 Jahre her und es kann sein, dass ich da auf andere Sachen geschaut habe. Ich muss aber auch sagen, dass ich vorher nie in Jerusalem war. Und die Art und Weise, wer es mir mit welcher Liebe nahebrachte, ist oftmals ebenso wichtig, wie das, was einem nahegebracht wird. Der zweite Besuch war die Annahme einer Einladung, aber es war eine Phase, in der ich schon sehr mit dem Album beschäftigt war. Und als ich dann zurück in Frankfurt war, wusste ich, dass das Album “Emuna” heißen wird. Und dann reifte in mir auch der Wunsch das visuell einzunehmen. Und als die Frage aufkam, was auf das Cover kommt, wusste ich direkt: “Ich vor der Klagemauer.” Dann sagte mein Team zu mir: “Moses, wir fliegen jetzt nach Jerusalem, um Fotos zu machen? Ist das Dein Ernst?” Na gut, das ist unrealistisch. Und dann fing es an zu rattern. Da braucht man dann natürlich ein bisschen mehr. Und so haben wir mehr als eine Woche vielleicht 10 Tage in Israel verbracht, um Fotos zu machen und Videos zu drehen. Das war ein schöner Ausflug.

Inwiefern hat der Prozess des Albums und der Besuch in Israel mit Rabbiner David Kraus auch Deine Persönlichkeit verändert?

Moses: Ein Album herzustellen, ist nicht vergleichbar mit dem Backen eines Brötchens. In der Zeit, in der man etwas festhält, hält auch Dich etwas fest. In dieser Zeit kann man Erkenntnisse gelangen, die man nie wieder vergisst und die einen nachhaltig verändern. Das gilt vielleicht nicht für alle Alben, aber zumindest für alle Alben, die in der Intensität in mir waren und mit denen ich mich so beschäftigte. Ich glaube, dass das Kennenlernen von Rabbiner David Kraus mich verändert hat. Ich habe immer intensive Gespräche mit ihm, das beschränkt sich meist auf einen kurzen Besuch oder auf ein Telefonat. Die Tage in Jerusalem hatten natürlich eine ganz andere Intensität, die man auch nicht mehr missen möchte. Ich glaube, ich schaue auf manche Sachen nun anders. Es gibt diesen Wunsch, jemanden, nachdem er Dich traf, in besserer Verfassung zurückzulassen, als er war, als Du ihn trafst. Ich glaube, das wünscht man sich immer für beide Seiten. Aber das ist etwas, was ich in Verbindung seit dem ersten Tag, an dem ich Rabbiner David Kraus kennenlernte, da auch passierte. Das mag auch damit zusammenhängen, dass er nicht nur Rabbiner, sondern auch Seelsorger ist. Es gibt ja viele Leute, die sich auf die Fahne geschrieben haben, die Welt zu verbessern. Aber manche davon kommen zu ganz fürchterlichen Ergebnissen. Ich wüsste jetzt kein anderes Beispiel von jemandem, bei dem das dauernd so positiv ist, wie beim David. Ich habe es beobachtet, wie er mit anderen Leuten redet und wie er auch bei denen etwas entzündet hat. Weil da eine Hoffnung entsteht, die man vorher nicht hatte.

Wie hast Du Rabbiner Kraus überhaupt kennengelernt?

Er hat ein Podcast aus Jerusalem auf Deutsch gemacht, den ich zufällig bei Facebook gesehen habe. Und ich fand das gut. Eines Morgens, das war vor Sonnenaufgang, sehe und höre ich wieder so einen Podcast. Ich weiß gar nicht mehr, worum es ging, aber es war eine Frage, die mich in diesem Moment sehr beschäftigte, und es wirkte so, als sei das die Antwort auf meine spezifische Frage. Und das faszinierte mich so und war für mich ein großes Geschenk, sodass ich ihm schrieb. Und dann lud er mich ein und machte Witze. Er kam nach Frankfurt und war auf der Suche nach einem Fahrer, der sich in Frankfurt auskennt. Wer wenn nicht ich (lacht). Und er meinte zu mir, dass er in der Gemeinde in Frankfurt einen Vortrag hält und fragte mich, ob ich nicht kommen möchte. Und dann trafen wir uns hier in Frankfurt.

Und Du bist ihn dann auch gefahren?

Moses: Nein, tatsächlich nicht, aber hätte ich (lacht).

Hast Du auch Berührungen mit jüdischen Gebeten oder Liedern gehabt?

Moses: Ja, aber nicht sehr viele. Es gibt Sachen, wo man merkt, dass das jetzt kein Spaß ist, sondern sehr wichtig ist – ohne das wirklich zu verstehen. Mein Hebräisch beschränkt sich auf guten Abend, guten Schabbat, gute Woche und sowas. Aber dann ist es auch schon wieder erschöpft.

Aus einer jüdischen Perspektive ist der Sinn des Lebens, die beste Version Deiner selbst zu sein. Also der beste Mensch zu sein, der man in diesem Moment sein kann. Und auch Du gehst bewusster mit Deinem Leben um. Hat das auch dazu geführt, dass Du Veganer geworden bist?

Moses: Im Rahmen eines Videodrehs für den Song “Ich lass’ Dich nicht zurück” aus dem Album “Geteiltes Leid 3”, drehten wir auch einen Werbespot für “Peta”, in dem ich einfach sagen sollte, warum ich Vegetarier bin. Und dann sagte eine Kollegin zu mir, dass Peta eigentliche eine vegane Lebensweise aufzeigt. Und ich wusste überhaupt nicht, was das ist. In meiner Vorstellung war ich aus diesem Kreis des Leids, dass meinetwegen ein Tier gequält wird, zu Tode kommt, raus. Ich esse keine Tiere, also was habe ich damit zu tun. Und die schmerzhafte Antwort darauf, war, alles hast Du damit noch zu tun. Denn immer, wenn Du ein Stück Käse isst, gibst Du den Auftrag, dass das Kalb, dem die Milch, aus dem der Käse gemacht wurde, eigentlich zugedacht war, zu Schnitzel verarbeitet wird, damit Du die Milch bekommst. Die Kette ist da ganz einfach zurückzuverfolgen. Ich hatte überhaupt keine Chance Veganer zu werden, weil ich nicht wusste, was das eigentlich ist. Veganismus ist die Lösung eines Problems, von dem ich nicht wusste, dass es bestand. Ich dachte, ich hätte dieses Problem 14 Jahre vorher gelöst, als ich Vegetarier wurde. Und die Idee Leid zu vermeiden, ist für mich keine von 2014, 2013 oder 2012, sondern das ist eine Idee, die ich als Kind schon hatte. Nur teilweise suboptimal umgesetzt, würde ich sagen.

Das Interview führten Matvey Kreymerman und Zeev Reichard